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Embodiment

Embodiment: Körper beeinflusst Psyche

Embodiment bedeutet wörtlich „Verkörperung“ und meint das enge Zusammenspiel von Körper, Psyche und Umwelt. Dieses Zusammenspiel wird in der Philosophie seit Jahrhunderten unter dem Begriff „Leib-Seele-Dualismus“ diskutiert.

„Der Körper ist der Spiegel der Seele“, diese Auffassung ist hinlänglich bekannt. Steht uns ein Mensch gegenüber, der in sich zusammengesunken ist, den Kopf hängen lässt und die Stirn in Falten legt, so „wissen“ wir, dass es diesem Menschen nicht gut geht. Andersherum nehmen wir einen Menschen, der uns erhobenen Hauptes, mit aufrechter Körperhaltung und einem Lächeln im Gesicht entgegenkommt, als fröhlich, glücklich oder gut gelaunt wahr.

Der Zusammenhang zwischen psychischem Wohlbefinden und dessen Ausdruck auf körperlicher Ebene ist klar zu erkennen.

Die Frage ist: Ist es umgekehrt auch so?

WissenschaftlerInnen der Psychosomatik, Sozialpsychologie, klinischen Psychologie und VertreterInnen des Embodiments vertreten die Hypothese, dass hinter der Körpersprache, der Haltung und der Atmung weit mehr steckt als bloßer Ausdruck der Seele.

Es wird davon ausgegangen, dass Körperzustände auch die Psyche beeinflussen, es also eine ständige Wechselwirkung der beiden Komponenten gibt. Es gibt mittlerweile viele Studien, die diesen Zusammenhang genauer untersuchen.

So hat man beispielsweise in einem Experiment herausgefunden, dass Menschen, die einen Stift quer im Mund halten und dabei die Aktivität der Lachmuskeln erhöhen, einen Cartoon deutlich lustiger empfanden, als Menschen, die einen Stift längs mit den Lippen hielten (Kussmund). Die Rückmeldung der Körperstrukturen ans Gehirn nennt man in der Psychologie Bodyfeedback bzw. Fascialfeedback, wenn sie die Gesichtsmuskulatur betrifft.

Auch eine aufrechte Körperhaltung kann nachweislich Einfluss auf die Stimmung haben. SozialpsychologInnen sprachen einer Gruppe aufrecht sitzender und einer Gruppe zusammengesunkener ProbandInnen fiktives Lob aus. Die aufrecht sitzende Gruppe war im Anschluss signifikant stolzer auf ihre Leistung als die zusammengesunkene Gruppe.

Gleichsam hat eine Untersuchung gezeigt, dass eine aufrechte Sitzhaltung uns mehr Durchhaltevermögen und Geduld bringt als die gebeugte Haltung. Im Zuge dieser Erkenntnis kann man sich die Frage stellen: Welchen Einfluss hat eine schlechte Sitzposition im beruflichen Kontext, im Homeoffice oder in der U-Bahn auf unsere Psyche? Sitzen wir deswegen so, weil es uns psychisch nicht so gut geht? Oder geht es uns nicht so gut, weil wir so sitzen?

Auch in Hinblick auf menschliche Eigenschaften und Moralvorstellungen spielt Embodiment eine Rolle. So hat man zum Beispiel herausgefunden, dass Menschen mit einer warmen Tasse in der Hand freundlicher zu ihren Mitmenschen sind. Auch die Spendenbereitschaft ist bei Menschen, die mit einer Rolltreppe nach oben fahren, größer als bei Menschen auf der Rolltreppe hinunter.

ForscherInnen haben weiters beobachtet, dass Bewegungsqualitäten Einfluss auf unsere Kreativität haben. ProbandInnen, die Schlangenlinien, also weiche, harmonische Bewegungen ausführten, hatten mehr und originellere Ideen, was man mit einer Zeitung alles machen kann als die Gruppe ProbandInnen, die eckige, abgehackte Linien zeichnen sollte.

Aus der Neurophysiologie weiß man, dass abstrakte Begriffe wie „mehr“ oder „besser“ aufgrund der Körperachse mit „oben“ assoziiert werden, Begriffe wie „weniger“ oder „schlechter“ mit „unten“. Worte wie „greifen“ oder „kicken“ aktivieren im Gehirn die Muskulatur, die für die Hände oder Beine zuständig sind.

Alle Erfahrungen mit anderen Menschen werden von Geburt an im Gehirn gespeichert. Diese gelten als ständig wandelbare Basis für neue Erfahrungen. Auch das Gefühl für den eigenen Körper bzw. das Wahrnehmen der eigenen Körperempfindungen ist für das Zusammenspiel zwischen Körper, Psyche und Umwelt wichtig.

Ein achtsamer und sensibler Umgang mit dem eigenen Körper ist deswegen notwendig, um die Rückmeldungen des Körpers auch wahrnehmen zu können.

Wie Embodiment funktioniert kann jede und jeder ganz einfach im Selbstversuch ausprobieren:

Setzen Sie sich auf einen Sessel und sinken Sie richtig zusammen. Lassen Sie den Kopf hängen, überschlagen Sie die Beine, ziehen den Bauch ein wenig ein und die Schultern hoch, pressen Sie leicht die Zähne zusammen und runzeln Sie Ihre Stirn. Nun bleiben Sie einen Moment in dieser Position und versuchen Sie sich gut zu fühlen. Vielleicht denken Sie an eine Situation, in der Sie glücklich waren und versuchen sich dieses Gefühl herzuholen. Das geht nicht, oder? Die Gefühle passen nicht zur Körperhaltung.

Es bietet sich an, den Gegenversuch zu unternehmen. Also richten Sie sich auf, heben Sie den Kopf und das Brustbein, straffen Sie die Schultern, stellen Sie die Beine nebeneinander gut auf den Boden und lächeln Sie. Nun versuchen Sie sich richtig mies zu fühlen, deprimiert, schwach und traurig. Auch hier werden Sie feststellen, dass es nicht möglich ist auf Knopfdruck eine negative Stimmung zu erzeugen, wenn der Körper nicht in der dafür richtigen Position ist.

Als guten Abschluss dieser Übung nehmen Sie nun die aufrechte Position ein und versetzen Sie sich in eine glückliche Stimmung.

Alles in allem kann man Embodiment für sich selbst im Alltag nutzen, indem man in schwierigen Situationen bewusst eine aufrechte Körperhaltung einnimmt und ein paar Mal tief durchatmet. Damit kann man die schlechte Stimmung zwar nicht wegblasen, aber man schafft die körperliche Voraussetzung, dass es leichter möglich ist, mit der Situation umzugehen. Probieren Sie es aus!

Fotocredit: Pexels

Literaturempfehlungen:

Storch, M., Cantieni, B., Hüther, G., Tschacher, W. (2017). Embodiment-Die Wechselwirkung von Körper und Psyche verstehen und nutzen; Hogrefe Verlag, Bern.
Stangl, W. (2021). Stichwort: „Embodiment-Online Lexikon für Psychologie und Pädagogik“. Online Lexikon für Psychologie und Pädagogik. https://lexikon.stangl.eu/2175/embodiment
Storch, M., Theiss, C. (2018). Embodiment: Wie die Körperhaltung die Psyche beeinflusst. UGB Forum 6/18. https://www.ugb.de/ugb-medien/einzelhefte/essen-lifestyle/embodiment-wie-die-koerperhaltung-die-psyche-beeinflusst/

Sportphysiotherapeutin, Physiotherapeutin