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Die Rekonvaleszentenspende

Ein Gespräch mit Frau Dr. Ursula Kreil, stellvertretende Med. Leiterin der Blutspendezentrale für Wien, Niederösterreich und Burgenland. In Österreich wurde in der Steiermark der erste Fall von einem Patienten bekannt, dem mit einer Rekonvaleszentenspende geholfen werden konnte. Er befindet sich auf dem Weg der Genesung. Bis jetzt wurden 20 Patient*innen mit Rekonvalszentenplasma behandelt. Wie das funktioniert und was es dabei zu beachten gibt, hat uns Fr. Dr. Ursula Kreil erklärt. 

Wie viele Spenden haben Sie bereits erhalten? Sind die Menschen COVID-19 spendenfreudig? Kommt die Botschaft über die Dringlichkeit zu Spenden, bei den Menschen trotz der derzeitigen Lockerungen und der niedrigen Reproduktionszahl an?  

Die Hilfsbereitschaft in der Bevölkerung ist groß, das lässt sich hier wie auch im Bereich der Vollblutspende feststellen. In den ersten Wochen haben sich einige hundert passende Spender gemeldet, hier werden fortlaufend Termine für diese besondere Spende vereinbart. 

Haben Sie Rückmeldungen darüber, wie vielen Menschen, die an COVID-19 erkrankt sind, in Österreich mit den Rekonvaleszentenspenden inzwischen geholfen werden konnte?  

Bis dato sind rund 20 Personen in Österreich mit Rekonvaleszentenplasma behandelt worden. 

Kommen Menschen mit chronischen Erkrankungen als Spender in Frage? Welche Ausschluss Kriterien gibt es?  

Im Prinzip gelten dieselben Kriterien wie für Vollblutspender, d.h.: Blut spenden dürfen grundsätzlich alle Frauen und Männer ab dem Alter von 18 Jahren, die gewisse gesundheitliche und gesetzlich festgelegte Kriterien erfüllen. Das Körpergewicht muss mindestens 50 kg betragen. Chronische Erkrankungen sind leider unter den Ausschlusskriterien zu finden. Wer helfen möchte, sich aber über die Spendentauglichkeit unsicher ist, kann sich an die österreichweit kostenlose Servicenummer des Österreichischen Roten Kreuz für Fragen zum Blutspenden wenden (0800 190 190).  

Aus Untersuchungen weiß man inzwischen, dass die Blutgruppen bei COVID-19, wie bei manchen anderen Erkrankungen auch eine Rolle spielen, auch was den Verlauf der Erkrankung angeht. Gibt es für die Rekonvaleszentenspenden bevorzugte Blutgruppen?  

Für die Rekonvaleszentenspende suchen wir Spender aller Blutgruppen. Wichtig ist in jedem Fall, dass die Spender sich gesund und fit fühlen, über 50 kg wiegen und die allgemein geltenden Kriterien für die Vollblutspende erfüllen. 

Wie viel Blut kann in der Regel abgenommen und wieviel Plasma daraus gewonnen werden? Wie vielen Menschen kann mit einer Spende geholfen werden?  

Bei der Spende am Zellseparator werden maximal 0,7 Liter Blutflüssigkeit abgenommen, meistens ca. 450 – 650 ml (abhängig vom Körpergewicht). Für die Anwendung beim Empfänger wird in sogenannten therapeutischen Einheiten (rund 200 ml) gerechnet. Ob ein Empfänger ein oder mehrere therapeutische Einheiten erhält, entscheiden die behandelnden Ärzte.  

Muss der Plasmaspendende sich auch an die Hygienevorschriften halten (Mundschutz?) da er ja Antikörper gebildet hat? Ist diese Annahme medizinisch evidenzbasierend inzwischen gesichert?  

Die Hygienevorschriften gelten für alle bei Blutspendeaktionen anwesenden Personen. Da für andere Anwesende ja nicht ersichtlich ist, ob eine Person zur regulären Vollblutspende oder als genesener Spender für eben diese besondere Spende anwesend ist, sind alle anwesenden Personen angehalten, eine Mund-Nasen-Schutzmaske zu tragen. 

Besitzt jeder mehr oder weniger Antikörper, der an COVID-19 erkrankt ist? Wie ist es bei jemandem der einen leichteren Verlauf hatte (Fieber bis 38 Grad)?   

Der Schweregrad der durchgemachten Covid-19-Erkrankung hat Auswirkung auf die Menge der gebildeten Antikörper. Wer schwerer betroffen war, hat zumeist deutlich mehr Antikörper. Jedoch gibt es hier natürlich individuelle Unterschiede, nicht jedes Immunsystem reagiert gleich. 

Spielt die sexuelle Orientierung für die Rekonvaleszentenspende eine Rolle?  

Für die Spende von Rekonvaleszentenplasma wird der aktuell in Verwendung befindliche Fragebogen herangezogen. Laut diesem sind Männer, die Sex mit Männern haben, vom Blutspenden zurückgestellt.  

Für Frühjahr 2020 war die Einführung eines neuen Fragebogens – basierend auf der seit kurzem gültigen neuen Blutspenderverordnung bzw. Empfehlungen der Blutkommission – geplant. (Dieser neue Fragebogen bringt unter anderem Veränderungen bei den Zulassungsregelungen: Statt eines dauerhaften Ausschlusses gibt es für Männer, die Sex mit Männern (MSM) hatten, eine 12-monatige Wartefrist, bevor sie Blut spenden können.)  

Aufgrund der Corona-bedingten Ausnahmesituation verzögert sich die Umstellung auf den neuen Fragebogen und die dadurch bedingten neuen Rückstellfristen leider. Wir bitten um Verständnis dafür – der Fokus der Blutspendedienste muss auch in der aktuellen Lage darauf liegen, die Vollversorgung der heimischen Spitäler zu gewährleisten. Da der Bereich der Blutspende vielen strengen Sicherheitskriterien unterliegt, geht es bei der Umstellung auf den neuen Fragebogen nicht nur um die Änderungen eines Einzeldokuments. Sondern z.B. auch um IT-Schnittstellen, um den Fragebogen maschinell verarbeitbar zu machen, um Dokumentationsabläufe, Anpassung von Infomaterialien, Schulungen etc.  

Wir hoffen, die Umstellung so rasch wie möglich nachholen zu können. Nach der derzeitigen Planung soll die Corona-bedingte Verzögerung über den Sommer aufgeholt und der neue Fragebogen im September implementiert werden. 

Kann ich gleich nach meiner Genesung von COVID-19 Blutplasma spenden oder gibt es eine Wartezeit, die ich einzuhalten habe. Wer entscheidet darüber? 

Personen, die an Covid-19 erkrankt waren und wieder gesund sind, können 4 Wochen nach abklingen der letzten Symptome wieder zur Spende kommen. 

Gibt es ein maximales Höchst- bzw. Mindestalter für die Rekonvaleszentenspenden?  

Im Prinzip gelten dieselben Kriterien wie für Vollblutspender, d.h. Erstspender dürfen nicht älter als 60 Jahre sein. Über die Zulassung ab einem Alter von 65 Jahren entscheidet der Abnahmearzt. Das Mindestalter beträgt 18 Jahre. 

Wie lange sind die Rekonvaleszentenspenden haltbar? 

Die Spenden können tiefgefroren und so rund ein Jahr gelagert werden. 

Wie sicher ist die Genesung mit einer Spende? Hat diese Einfluss auf Schwere/Dauer/Ausmaß des Verlaufes? Käme diese Person auch wieder als Spender in Frage? 

Die Gabe von Blutplasma mit spezifischen Antikörpern darf nicht mit einem Medikament im klassischen Sinn verwechselt werden. Es handelt sich hier um eine Therapieoption, mit der in Notfallsituationen (zuletzt z.B. während der MERS, SARS1, Schweinegrippe (H1N1) und auch Ebola-Epidemien) positive Erfahrungen gemacht wurden. Man konnte in diesen Anwendungsszenarien Behandlungsergebnisse beobachten, die Anwendung erfolgte aber nicht im Rahmen kontrollierter Studien. Gemeinsam arbeiten nun viele Experten daran, möglichst viel darüber zu lernen, welche Patienten in welchem Stadium dieser für alle neuen Erkrankung von der Gabe profitieren. Seitens eines genesenen Spenders spricht grundsätzlich nichts dagegen, mehrfach zu spenden, wenn die Antikörperlevel entsprechend hoch sind. 

Ist jeder Plasma Spender für jeden Menschen geeignet?  

Wie auch in allen anderen Bereichen der Transfusionsmedizin gibt es bei der Gabe von Blutplasma mit Antikörpern eine Vielzahl von Kriterien zu beachten. Unter anderem spielen hier auch Blutgruppen eine Rolle, d.h. nein, nicht jede Spende ist für Menschen gleich gut geeignet. 

Fotocredit: Pixel-Shot/Adobe Stock

stellvertretende Leiterin der Blutspendezentrale für Wien, Niederösterreich und Burgenland